Fujifilm X-Pro2 – More Beauty, less Beast!

Update 12.09.2017 :

Einen ausführlichen und in vielerlei Hinsicht ganz anderen Blick auf die Kamera und das System nach mehreren Monaten der intensiven Nutzung findet ihr hier (nur in Englisch).

A detailed and in many respects completely different view on the camera and the system after several months of intensive use can be found here.

———

Wie man sich sicher denken kann, sollte dieser dritte Teil meiner Gedanken über die Fujifilm X-Pro2 eigentlich den Untertitel “The Beauty and the Beast” tragen – einzig: there is no Beast!

Zumindest nicht so, wie ich es erwartet hätte und beispielsweise mit der ersten X-100 auch selbst erlebt habe.

Zur X-Pro1 kann ich nicht so viel sagen, außer dass mir schon nach wenigen Augenblicken klar war, dass wir getrennte Wege gehen werden. Da waren mir ganz eindeutig zu viele zu offensichtliche Schwachstellen ersichtlich, um einen Kauf zu rechtfertigen… und das sehe ich auch heute noch so.

Mittlerweile finde ich den recht hohen Grad an Perfektion der X-Pro2 allerdings fast etwas schade, denn das Beast wäre natürlich auch interessant gewesen. So kann ich – wer nicht weiter lesen mag, kann auch hier aufhören – zusammenfassend sagen: sehr viel Licht und wenig Schatten bei immer noch eigenem Charakter, aber ohne nerviges Rumgezicke! In der Übersetzung: Die Kamera liefert! Quasi immer! Und ist dabei ein wunderschönes Werkzeug und in vielerlei Hinsicht auch sehr modern und überlegt ausgelegt (Sensor, Prozessor, etc.).

Wen die Langfassung interessiert, bitte sehr. Hier sind die Eindrücke nach den ersten Wochen der Beziehung. Ach ja, und doch ohne Fotos. Die wird es nach wie vor immer wieder im Portfolio der Webseite geben und – ganz nebenbei – was hat die Kamera schon mit den Bildern zu tun? 😉

Was bekomme ich fürs Geld?

Zunächst einmal handwerkliche Präzision in einer – zumindest für mich – sehr schönen Hülle und in den allermeisten Fällen auch wirklich ein Werkzeug, welches für Fotografen entwickelt wurde. Ich weiß, dass man auch mit klapprigen und total hässlichen Plastikapparaten durchaus tolle Bilder machen kann, aber für mich zählt Wertigkeit hier nicht nur aufgrund des privilegierten Gefühls, sondern auch wegen einer gewissen Nachhaltigkeit (soweit es so was im Digitalzeitalter noch gibt). Ganz nach dem Motto der imaginären Oma – den Preis vergisst man, Qualität bleibt – habe ich schon das Gefühl, für das nicht wenige verlangte Geld einen Gegenwert zu erhalten, der, liebe Leute, NICHT in Spezifikationen auszudrücken ist. Es ist mir Wumpe, ob der Sensor von der Firma X produziert und schon in Kamera Y verbaut wurde, diese aber nur die Hälfte des Geldes kostet. Auch ist mir egal, dass es Kamera Z mit einem größeren Sensor… das alles spielt keine Rolle! Solche Vergleiche sind so unnötig wie ein Kropf und so sinnvoll wie der Quadratmeterpreis einer Wohnung oder der Kilopreis eines Autos. Was soll das? Was hat man davon? Richtig, im Normalfall nix! Eine miese Wohnung in schlechter Lage ist eine miese Wohnung in schlechter Lage. Mich interessiert nicht der Quadratmeterpreis, sondern die Wohnung in ihrer Gesamtheit, mein ganz eigenes Gefühl damit sowie die Frage, ob ich sie mir insgesamt leisten kann und mag. Also interessiert mich hier, ob diese Kamera MIR als GESAMTBILD einen Gegenwert liefert, den ich a) bezahlen kann und b) zu bezahlen bereit bin. Hier habe ICH a) und b) jeweils mit ja beantwortet (siehe mein Fazit weiter unten). Das sollte aber jeder völlig individuell für sich selbst beantworten. Nur werden diese Antworten nicht in der Spezifikationstabelle der Kamera zu finden sein… 😉

Warum ist sie es wert?

Diese Frage ist – siehe die Bemerkungen weiter oben – nicht leicht zu beantworten und wird von daher sehr individuell bleiben. Das alles wird noch viel schwieriger, wenn man zu überlegen versucht, was Wert hier eigentlich bedeutet und wie man diesen auch noch bewerten soll. Ich gebe mal ein einfaches Beispiel. Kann man mit dieser Kamera jede fotografische Aufgabe lösen? Im Grunde ja. (Spitzfindigkeiten mal Beiseite gelassen). Die Frage ist aber: warum sollte man? Ganz ehrlich, würde ich vor allem Modelshootings machen, würde ich ne Nikon nehmen. Oder was Größeres. Wildlife- und Sportfotografie? Kleiner Scherz am Rande, oder? Makrofotografie? Nö. Produktfotos? Eher nein. Mit nem Rucksack um die Welt? Höchstens, wenn ich es bei einem kleinen Objektiv belassen würde, sonst eher eine Micro Four Thirds. Wie gesagt, das alles wird irgendwie gehen und vielleicht machen es auch einige Fotografen. Aber sinnvoll ist abseits aller schönen Imagefilmchen für diese Kamera etwas ganz anderes. Warum sollte ich also bei einem Shooting mit Dauerfeuer alle dreißig Minuten den Akku wechseln wollen? Warum bei bodennahen oder perspektivisch schwierigen Aufnahmen im Schlamm rumzurutschen und mir den Hals verdrehen anstatt ein Klappdisplay zu nutzen? Oder irgendwelche Superteleobjektive an eine Kamera im Rangefinder-Style schrauben? Sorry, entweder hat man sie dann alle nicht ganz beisammen oder will irgendwie cool gegen den Strom schwimmen und so ganz anders sein. Es gibt meiner Meinung nach für diese Aufgaben sowohl spezialisiertere Geräte als auch welche mit größeren Allround-Talenten.

Wo die Kamera dagegen glänzt und alles in allem sogar recht einzigartig aus der Masse hervorsticht, sind einige der klassischen Disziplinen, wie Reportage, Reise, Dokumentation, Street, etc. Und das meine ich sehr breit gedacht. Alles, wo man eine Kamera in die Hand nimmt und durch die Straßen der Welt streunt, da ist sie zu Hause. Dann aber sowas von! Ob Menschen, Orte, Augenblicke oder Farb- und Lichtstimmungen, allein das Sucherkonzept ist hier so wertvoll und flexibel, dass man in den verschiedensten Situationen die beste Sicht auf das Motiv hat. Ich bin mir sehr sicher, dass ein Cartier-Bresson – auch oder gerade, weil ihm keine große Technikaffinität nachgesagt wird – damit ohne daran einen Gedanken zu verschwenden froh geworden wäre. Zumindest, wollte er seine bevorzugte Sicht auf die Dinge behalten und – equivalent gesprochen – das 35er nehmen. Ansonsten wäre er sicher mit einer X-100 unterwegs 😉

Wer sich hier zu Hause fühlt, wird sicher schnell finden, dass die Kamera es wert ist. So einfach ist das dann doch…

Was bleibt wirklich positiv haften?

In aller Kürze ausgedrückt: das Fotografieren selbst. Es macht einfach Spaß, die Kamera zu nutzen, fast alles ist schnell, gut positioniert, sinnvoll umgesetzt und nach einer kurzen Weile kann man die Kamera wirklich – ich werfe gerne fünf Euro ins Phrasenschwein – als eine Verlängerung seiner Hand (zumindest, wenn man sich dieses Daumendings von Lensmate besorgt) oder eine Erweiterung seines Auges begreifen. Es gibt Dutzende anderer Kameras, von denen ich dies nicht behaupten kann, von daher ist das schon einmal eine Ansage.

Was macht mich irre?

Mittlerweile eigentlich fast nichts mehr. Es bleiben drei Dinge, die nerven und die ich auch bereits im zweiten Teil erwähnt hatte. Bitte, bitte lasst das sonst ausgeschaltete Display sofort aktiv werden, wenn ich auf Menu oder Q drücke. Und gebt mir die Möglichkeit, bei einer Messwertspeicherung die Messmethode vorauswählen zu können (dann eben Spotmessung). Last but not least, ich will einen stärkeren Akku! Mehr verlange ich ja gar nicht. Am Makel Nr. 1, der fehlenden Bildstabilisierung, kann man leider nix machen, so schade es auch sein mag. Das wäre für mich fast der einzige echte Showstopper gewesen. Und der Sucher… was ist eigentlich mit dem Sucher?

Da habe ich ja auch mächtig gemeckert, bin aber mittlerweile ziemlich versöhnt. Dies kommt zum einen daher, dass ich mich an den etwas kleinen optischen Sucher gewöhnt habe und auch die Umschaltung in die beiden unterschiedlichen Vergrößerungen – natürlich speziell mit dem 35er, wo es für beide Modi einen Leuchtrahmen gibt – genial finde. Das ist wirklich einmalig und ein richtiges Plus! Dass der EVF nicht State of the Art ist, ja, ist blöd, aber zumindest für mich zu verkraften. Er ist ja nicht schlecht, nur eben auch nicht brillant. Lediglich dieses wirklich dämliche Flackern (auch des Displays), welches jedes Mal beim Loslassen des Auslösers auftaucht, da die Blende dann je nach Lichtsituation in vielen Zwischenschritten geöffnet oder geschlossen wird, muss nun wirklich nicht sein. Das geht auch anders! Zum anderen wäre da noch das Thema Brille: Ich habe es ausprobiert und es geht doch. Nicht wirklich sehr gut, aber besser als gedacht und damit kann ich halt jetzt leben. Was nicht heißt, dass man es nicht hätte besser machen können und beim nächsten Mal auch sollte 😉

Ehe oder Scheidung?

Keine Ahnung, irgendwie weder noch. Eigentlich ist diese Frage in Zusammenhang mit einem Fotoapparat auch selten dämlich 😉

Also ganz nüchtern: Mir gefällt so Vieles, dass ich trotz der Einschränkungen und meines wirklichen Unwillens, zwei Systeme zu nutzen (ich verwechsele jetzt schon die ersten Knöpfe), die Kamera behalten werde. Ein totaler Luxus und vielleicht sogar idiotisch und ohne wirkliche Rechtfertigung, aber was soll’s? Ich bin mir jedoch ziemlich sicher, dass irgendwann eine Entscheidung fallen wird. Vielleicht dann auch mal komplett für die Fujifilm… das hängt sicher auch davon ab, was noch so kommt und wie ich auf Dauer mit dem System klarkomme. Wenn ich mir so ansehe, wie sich vor allem die beiden genialen Objektive  (16 und 35) machen, könnte ich schon früher oder später schwach werden… nur die X-100(s,t,u,… oder z) wird sie nie ersetzen!

11 Comments

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.