Ken Light | Course of the Empire
Bildband des Monats / Photo book of the month
In dieser Kolumne stelle ich von Zeit zu Zeit einen Bildband vor, welcher mir sehr am Herzen liegt. Dabei handelt es sich nicht – oder nicht zwangsläufig – um eine Neuerscheinung. Es ist einfach ein Buch, welches mir irgendwie in die Hände gefallen ist und das ich Anderen gerne nahelegen möchte.
In this column I present from time to time a photo book that is very close to my heart. It is not – or not necessarily – a new release. It is simply a book that somehow came into my hands and that I would like to suggest to others.
Januar/January 2023 – Ken Light | Course of the Empire
Ich habe lange überlegt, ob ich das Wiederaufleben dieser Kolumne mit einem ernsten Buch von Ken Light beginnen möchte. Ernst im Sinne von nicht einfach zu verdauen. Nicht leicht und hell, dafür sehr nachdenklich machend und manchmal auch verstörend und traurig.
Allerdings ist „Course of the Empire“ nicht nur ein fotografisch wirklich herausragendes Buch. Es ist gerade in diesen unruhigen und schwierigen Zeiten auch ein so wichtiges Buch, dass ich mich dafür entschieden habe.
I thought long and hard about starting the revival of this column with a thoroughly serious book by Ken Light. Serious in the sense of not easy to swallow. Not light and bright, yet very thought-provoking and sometimes also disturbing and sad.
However, “Course of the Empire” is not only an outstanding book photographically. It is also such an important book, especially in these troubled and difficult times, that I decided to go for it
Über Ken Light / About Ken Light
Ken Light ist US-amerikanischer Sozialdokumentarfotograf und wurde 1951 in New York City geboren. Er begann seine fotografische Kariere 1969 und lebt heute in der Gegend der Bucht von San Francisco. Er ist Autor einer Reihe von dokumentarischen Fotobüchern, in denen seine Arbeiten meist in Schwarz-Weiß zu sehen sind.
Sein Name wird heute oftmals in einem Atemzug mit Fotografen wie Walker Evans oder Robert Frank genannt. Seine Arbeit erinnert in vielerlei Hinsicht auch an die Werke dieser bekannten Größen der Geschichte der Dokumentarfotografie. Hauptthema seiner Arbeiten sind die sozialen Bedinungen der Gesellschaften in den USA sowie der sozialer Wandel.
Ken Light is an American social documentary photographer born in New York City in 1951. He began his photographic career in 1969 and now lives in the San Francisco Bay area. He is the author of several documentary photography books mostly featuring his work in black and white.
His name is now often mentioned alongside photographers such as Walker Evans or Robert Frank. In many ways, his work is also reminiscent of the works of these well-known greats in the history of documentary photography. The main theme of his work is the social conditions of societies in the USA and social change.
Course of the Empire
Prolog / Prologue
Ich erwähnte gerade kurz die Verbindung zu den Werken von Walker Evans oder Robert Frank. Damit ist in keinster Weise gemeint, dass Ken Light diese nur kopieren würde. Vielmehr führt und entwickelt er den Geist dieser Art der Fotografie weiter. Lediglich das Themenfeld – die USA und seine Menschen – bilden die fotografische Brücke.
Zwei wesentliche Dinge sind mir hier wichtig zu nennen. Zum einem verkörpert der Jahrezente später geborene Light natürlich eine neue Generation. Insofern zeigen seine Beobachtungen von Ende der 60er Jahre bis heute natürlich auch ein anderes Amerika. Zweitens ist aber auch sein fotografischer Stil sicher ein anderer. Es ist weniger rein beobachtend, weniger außen vor – dafür noch mehr mitten drin und auch subtiler und ironischer.
I just briefly mentioned the connection to the works of Walker Evans or Robert Frank. This in no way means that Ken Light would only copy them. Rather, he continues and develops the spirit of this kind of photography. Only the subject area – the USA and its people – form the photographic bridge.
Two essential things are important for me to mention here. Firstly, Light, who was born decades later, naturally represents a new generation. In this respect, his observations from the end of the 1960s until today naturally show a different America. Secondly, his photographic style is certainly different. It is less purely observational, less on the outside – but even more in the middle and more subtle and ironic.
Das Buch / The Book
In “Course of the Empire” zeigt uns Ken Light in 208 Bildern seine persönliche, subjektive Sicht auf die Vereinigten Staaten. Diese Sicht basiert auf Beobachtungen eines ganzen Jahrzents, nämlich aus den Jahren 2011 bis 2021. Und entstanden sind diese Fotografien ganz offenbar auf Reisen durch die ganzen USA.
Alle Bilder sind jeweils ganzseitig, in einem rechteckigen Format und wie bereits erwähnt in Schwarz-Weiß gehalten.
Die Gliederung des Buches in zehn thematische Kapitel strukturiert dabei die sehr breit angelegte Sichtweise des Autors auf sein Land. Die Auswahl der Kapitel in solche wie „Capital“, „Heartland“, „Disruption“ oder Divide“ verdeutlichen auch die thematische Ausrichtung: den sozialen Wandel eines offenbar tief gespaltenen Landes.
In “Course of the Empire”, Ken Light shows us his personal, subjective view on the United States in 208 pictures. This view is based on observations of an entire decade, namely from 2011 to the year 2021, and these photographs were obviously taken on journeys throughout the USA.
All the pictures are full-page, in a rectangular format and, as already mentioned, in black and white.
The organisation of the book into ten thematic chapters structures the author’s very broad view of his country. The selection of the chapters into such as “Capital”, “Heartland”, “Disruption” or “Divide” also clarify the thematic orientation: the social change of an obviously deeply divided country.
Inhaltliche Stärken / Strengths in content
Die aus meiner Sicht größte und offensichtliche Stärke dieses Buches ist seine Breite. Ich kenne wenige Fotografen – wenn überhaupt einen – deren Blick und Zugang sowohl zu den Mächtigen und Reichen als auch zu den Ärmsten und Machtlosesten in diesem Land reicht. Ken Light schafft es in seinem Buch, ganz nahe Einblicke sowohl aus dem Kapitol oder der Wall Street zu geben als auch aus der fast hoffnungslosen Ödnis von Detroit oder den Armenviertel der Farbigen im Süden des Landes.
Die Bilder bewegen mich, machen mich nachdenklich, manchmal auch wütend. Und sie sind immer nah dran. Mittendrin.
The greatest and obvious strength of this book, in my view, is its broad scope. I know few photographers – if any – whose eye and access reaches out to both the powerful and the rich as well as the poorest and most powerless in this country. Ken Light manages in his book to give very close insights both from the Capitol or Wall Street and from the almost hopeless desolation of Detroit or the poor neighbourhoods of coloured people in the south of the country.
The photographs move me, make me think, sometimes make me angry. And they are always close. Right in the heart of it.
Dieses Buch eine Mahnung und Anklage an eine Gesellschaft, die – so sieht es zumindest Ken Light – seine Orientierung und seine Werte verloren zu haben scheint. Trotz allem sieht der Autor dieses Buch und sein fotografisches Projekt nicht nur als hoffnungslose Momentausnahme, sondern eher als eine Aufrüttlung an – vielleicht die letzte. So sagt er es auch in seinem Nachwort:
Ich glaube an Amerika.
Ken Light
This book is a memorial and an indictment of a society that – at least that is how Ken Light sees it – seems to have lost its orientation and its values. Despite everything, the author sees this book and his photographic project not only as a hopeless snapshot, but rather as a shake-up – perhaps the last one. This is also what he says in his epilogue:
I believe in America.
Ken Light
Abschließende Worte / Final Words
Bleiben mir noch die abschließenden Wort. Ich weiß noch nicht, ob dieses Buch am Ende des Jahres auch mein Fotobuch des Jahres 2023 werden wird. Ich vermute im Moment einmal, eher nicht. Dafür haben seine einzelnen Bilder vielleicht nicht immer diese fotografisch-visuelle Stärke wie beispielsweise hierbei das wirklich überragende „Minutes to Midnight“ von Trent Parke. Seine Stärke ist die Geschichte hinter den Bildern.
Damit ist und bleibt es ein verdammt gutes und ein verdammt wichtiges Fotobuch. Überragend als Gesamtwerk, großartig in der Beobachtung, scharf in der Ironie, fein im Gespür für den Augenblick und das Bild. Und natürlich mit einer Aussage, die aufrütteln und aufwecken sollte – nicht nur in den USA.
That leaves me with the final words. I don’t know yet whether this book will also be my photo book of the year 2023 at the end of the year. At the moment, I suspect not. Its individual photographs may not always have the photographic-visual strength of Trent Parke’s truly outstanding “Minutes to Midnight“, for example. His strength is the story behind the images.
Thus, it is and remains a damn good and a damn important photo book. Outstanding as a body of work, great in its observation, sharp in its irony, fine in its sense of the moment and the image. And of course, with a statement that should shake and awaken – not only in America.
No Comments