Fujifilm X-Pro2… oder der schwierige Versuch einer ersten Annäherung (Teil II)

Update 12.09.2017 :

Einen ausführlichen und in vielerlei Hinsicht ganz anderen Blick auf die Kamera und das System nach mehreren Monaten der intensiven Nutzung findet ihr hier (nur in Englisch). Die Fujifilm X-Pro2 ist – kurz gesagt – die beste Kamera, die ich je genutzt habe.

A detailed and in many respects completely different view on the camera and the system after several months of intensive use can be found here. In short, the Fujifilm X-Pro2 is the best camera I’ve ever used.

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Nachdem ich mich im ersten Teil eigentlich viel mehr mit mir und meinen Vorlieben als mit der Kamera beschäftigt habe, hier nun endlich die ersten Eindrücke zum eigentlichen Objekt.Diese soll natürlich kein abschließendes Urteil darstellen, sondern eher eine punktuelle, völlig subjektive und bitte nicht immer allzu ernstzunehmende Zusammenstellung von aus meiner Sicht tollen und weniger tollen Dingen…

Der größte Aufreger

Fangen wir mal mit dem an, worüber sich – zumindest gefühlt – ca. 75% der Nutzer dieser Kamera im Netz teilweise ziemlich aufregen: Der ISO-Wahlring… OK, die Idee ist sicher nicht der Weisheit letzter Schluss. Allerdings verstehe ich die ganz große Aufregung darüber dann doch nicht wirklich. Abgesehen davon, dass ich mit dieser Art von ISO-Verstellung aufgewachsen bin, ist sie auch noch sauber umgesetzt und imho gar nicht so fummelig, wie viele schreiben. Vor allem aber: was interessiert es mich? Seit Nikon anno dunnemals die ISO-Automatik erstmals in einer sinnvollen Art und Weise implementiert hat, steht diese bei mir auf A. Punkt! Das ist doch mit DER GRÖßTE VORTEIL DES DIGITALEN. Soviel ISO wie nötig und so wenig wie möglich, und das ohne Filmwechsel und bei jedem Bild individuell. Wenn ich mal etwas Food-Porn mache und die Kamera dafür aufs Stativ setze, dann stelle ich die ISO halt auf 200 und gut ist. Bei Studioarbeiten, wo die Dateien alle möglichst gleich sein sollen, geht das auch so. Und das geht auch mit diesem Rädchen und aufgrund des Displays auch im Dunkeln… so what? Abgesehen davon: spätestens in Rev. 1.03 wird Fujifilm dafür ein Update der Firmware anbieten und die ISO-Umstellung im Menü anbieten. 🙂

Der größte Flop

Etwas anders sieht es da schon mit so manchem Detail aus, worüber ich mich dann gerne und auch sehr genüsslich aufregen kann. Hier also die ultimative Top-5-Liste meiner persönlichen Aufreger:

Die Kandidaten:

Platz 5. – nicht vergeben

Ich hätte zwar sicher noch einen Punkt gefunden, aber als Gegenentwurf zum allgegenwärtigen Negativismus im Netz (den ich ja gleich noch ordentlich bediene) verzichte ich einfach mal darauf.

Platz 4. – Der Bedienungsirrsinn (wie so oft)

Wie ich im ersten Teil bereits angedeutet habe, ist mir eine unsinnige Bedienung wirklich ein Dorn im Auge. Normalerweise wäre das also ein todsicherer Kandidat für den ersten Platz gewesen. Aber… hups, so schlimm ist es gar nicht. Das Menü ist mal wieder Mist, ziemlich unlogisch und komisch angeordnet, ohne eine Online-Hilfe. Nachhilfe bitte bei Olympus holen! Die haben zwar ein enorm umfangreiches Menü, dieses aber geordnet, mit sehr sinnvollen Punkten (z.B. sowas wie Wählbarkeit von Messmethode bei Messwertspeicherung. Bitte, Fujifilm!) und vor allem: zwei Kategorien am Anfang für das Wichtigste. Schon mal versucht, bei einer Fujifilm die Karte(n) mal eben zu formatieren? Herrje… (doch, ich kenne den Trick bei der X-Pro2, aber man braucht dafür trotzdem zwei Hände und muss jede Karte einzeln formatieren). Da ich aber nach der Grundeinstellung dort nicht mehr viel zu suchen habe, was soll’s? Die Tasten am rechten Daumen liegen nicht wirklich so dolle, vor allem nicht die AF-L-Taste. Und – das nervt nun wirklich etwas – warum kann man nicht das hintere Display abgeschaltet lassen und trotzdem beim Drücken der Menu- oder der Q-Taste wieder aktivieren? Alles andere macht doch keinen Sinn! Ich will nicht immer in den Sucher blicken oder extra jedes Mal den View Mode ändern, nur um die Menüeinstellungen vernünftig bedienen zu können (gell Fujifilm, bitte anpassen in einem der kommenden Updates!). Dafür hat man ja das Display! Alles in allem aber trotzdem nur Platz 4.

Platz 3. – Die Akkulaufzeit

Ich habe mich nach dem Umstieg auf spiegellose Kameras ja schon daran gewöhnt, dass die Akkulaufzeiten einer DSLR leider absolut passé sind. So wirklich viel wird da nicht zu machen sein, es sei denn, man baut riesige Akkus und macht die Kameras dementsprechend wieder größer. Aber come on Fujifilm, so ein bisschen mehr hätte es ja schon sein können, irgendwie, keine Ahnung wie. Mir geht es dabei weniger um die nominelle Zahl der Bilder, die man mit einer Ladung angeblich noch schaffen kann. Wären es wirklich 250 oder 300 würde ich jubeln (ich bringe auch nach drei Wochen Uskebistan oder so “nur” 1800 Bilder mit zurück). Aber in der Praxis komme zumindest ich da nie im Leben hin. Klar, 300 Bilder sind unter Laborbedingungen kein Problem. Wenn ich die Kamera aber stundenlang in der Hand halte, durch die Straßen laufe und immer wieder ans Auge nehme, das Motiv suche, auf den Augenblick warte, meist aber gar kein Bild mache, komme ich netto auf, keine Ahnung, 2,5 oder 3 Stunden Laufzeit. Vielleicht mal was länger. Da mache ich keine 300 Bilder, sondern eher mal 30. Könnte also besser sein… aber na ja, Ersatz-Akkus sind schon bestellt. Auch wenn meine Freundin sich im nächsten Urlaub wahrscheinlich noch mehr totlachen wird über den “Elektrohandel” neben meinem Nachttisch. 😉

Platz 2. – Der Sucher

Bei diesem Punkt wird es schon kniffliger und ich vermute mal stark, dass der ein oder andere das gar nicht verstehen wird oder nachvollziehen kann. Dieser zumindest im Bereich der Systemkameras einmalige und so hochgelobte Sucher verpasst bei mir nur knapp die Platzierung als Rote Laterne. Tja, aber genau so ist es eben. Zugegeben, das gleicht in gewisser Weise einem Jammern auf hohem Niveau, aber wie so oft führt eine hohe Erwartung und auch eine hohe Wertschätzung für etwas im Falle einer dann nicht so perfekten Umsetzung zur Enttäuschung. In diesem Fall ist das leider nicht anders. 2012 wäre dieser Sucher eine Sensation gewesen und hätte unten in der anderen Liste auf Platz 1. gestanden. 2016… ist er ein Flop. Vier Jahre Entwicklungszeit und eine riesige Horde von freiwilligen Beta-Testern später hat es Fujifilm leider nicht geschafft, dem für eine klassische Sucherkamera vielleicht wichtigsten Teil – eben dem Sucher – die nötige Aufmerksamkeit zu geben. Was mich nervt? Fangen wir mal mit dem optischen Sucher an. Im Gegensatz zur X-100 (und leider auch zur M) ist er einfach zu klein, 0,6-fache (oder gar 0,36-fache) Vergrößerung ist nun wahrlich nicht der Brüller. Viel schlimmer ist jedoch der tiefe Augenpunkt (heißt das im Deutschen überhaupt so?). Schon vor 34 Jahren hat es eine andere japanische Firma verstanden, mit der F3 HP einen für alle – vor allem aber für Brillenträger –  nutzbaren Sucher auf den Markt zu bringen. Leica kann das, andere können das und auch ihr, liebe Fujifilmer, könnt es ja auch, siehe X-100. Warum muss ich bei diesem Spitzenmodell meine Pupille derart tief in das Okular rammen, dass ich mir fast das Auge aussteche, um alles einigermaßen sehen zu können? Apropos sehen: hätte man die Schriftgröße der Sucheranzeigen eigentlich nicht noch etwas kleiner hinbekommen können? Ich kann sie ja fast noch lesen. Eigentlich brauche ich gelegentlich heute schon eine Brille. Was mache ich dann, wenn ich immer eine aufsetzen muss? Die Kamera wieder verkaufen? Kontaktlinsen anschaffen? Oder auf gut Glück fotografieren, wird schon passen, der Ausschnitt. Sorry, aber das nervt echt! Selbst wenn mir klar ist, dass man bei diesem Sucher zwecks Kompatibilität mit Wechselobjektiven gewisse Kompromisse hat eingehen müssen.

Wenn man dann noch den EVF dazu nimmt, der logischerweise auch nicht größer ist und von der Qualität – na ja – so in Ordnung ist (schon mal in eine EM-5 Mk II reingeschaut? Welten liegen dazwischen!), dann kommt leider dieses ernüchternde Urteil dabei raus. Ich habe mich zwar nach der ersten Enttäuschung etwas daran gewöhnt, aber eine verpasste Chance ist es allemal. Und unnötig dazu, glaube ich. Man hätte es sicher besser hinbekommen.

Der Verlierer:

Platz 1. – Keine Bildstabilisierung

OK, vielleicht kann Fujifilm nicht wirklich was dafür, weil ihnen die Technologie nicht zur Verfügung steht oder das Auflagemaß der Objektive im Vergleich zur Sensorgröße… ach, was weiß ich? Aber dennoch ist es für mich die größte Schwachstelle dieser Kamera. Ich bin 2012 von einer Nikon D700 zu einer winzigen Olympus gewechselt, und neben der Größe und dem Gewicht war die Bildstabilisierung wirklich ein für meine Art der Fotografie entscheidender Grund dafür. Mir haben sich Welten geöffnet damit, die ich eigentlich nicht mehr missen möchte. Und deshalb – auch wenn es mich ungeheuer nervt und ich gar nicht drei Kameras haben will – werde ich wohl die Olympus vorerst auch behalten. Wenn ich aber darüber nachdenke, welches Potenzial diese Kamera mit ihrem abartig guten Verhalten bei hohen ISO hätte, gäbe es zusätzlich eine Bildstabilisierung… Wahnsinn!

Das größte Highlight

So, genug gemeckert! Nun komme ich zu dem, was eigentlich erst richtig Spaß macht, der freudigen Lobhudelei.  Hier also die ultimative Top-5-Liste meiner persönlichen Highlights:

Die Kandidaten:

Platz 5. – Staub- und Spritzschutz

Was, nur Platz 5.? Wo doch jeder und alle im Netz immer danach schreien? Ja, Platz 5. Aus zwei einfachen Gründen: Die Kamera ist wirklich teuer genug, dass es eine Selbstverständlichkeit sein sollte und so ganz nebenbei bemerkt funktioniert meine nicht abgedichtete X-100s tatsächlich immer noch – obwohl ich sie sicher nicht behandelt habe wie ein rohes Ei. Wie oft habe ich sie in den tropischen Regen gehalten? Oder in den Wüstensand gelegt? Wie oft ist sie mir auf den Steinboden gefallen? Und sie läuft, und läuft, und… wenn auch der Spoiler schon arg verbogen ist. Daher lediglich Platz 5. 😉

Platz 4. – Der doppelte Kartenslot

Auch das ein Punkt, den ich mal unaufgeregt auf einen hinteren Mittelplatz verweise. Ja, danke, dass es jetzt drin ist! Endlich! Aber für eine bessere Platzierung reicht es dann doch nicht. Dafür nehme ich diesen Punkt bei einer solchen Kamera auch zu selbstverständlich und, hey, trotz der zugegeben immer etwas vorhandenen Angst ist mir noch nie im Leben eine Karte hopsgegangen. Trotzdem, gut ist es in jedem Fall und damit auf Platz 4.

Platz 3. – Der AF-Joystick

Hier wird es langsam schon wesentlich interessanter. Entgegengesetzt zu meinen kleinen persönlichen Ausrastern bei nervigen Patzern in der Ergonomie kann ich mich natürlich im umgekehrten Fall auch doppelt darüber freuen, wenn etwas wirklich toll umgesetzt wurde und super hilfreich ist. Ich habe eigentlich nie, oder nur in Ausnahmefällen – Weitwinkel mit offener Blende und schräge Nahaufnahmen oder so was – je bei meinen Kameras den Fokuspunkt verstellt. Das war mir zu lästig, zu langsam, zu umständlich. Scharfstellen, Auslöser halb drücken und Ausschnitt wählen – Himmel, das hat jenseits aller Theorien darüber immer gut funktioniert. Also in der Praxis. Haben sich eigentlich all die Theoretiker schon einmal überlegt, wie denn die Fotografen das früher, also vor der Einführung des AF, so gemacht haben? Also, den Fokuspunkt zu verstellen, meine ich. 🙂

Ich habe nicht den Eindruck, je ein Bild dadurch versaut zu haben. Das ist nun die erste Kamera, bei der ich das Gefühl habe, mich in meiner Arbeitsweise umgewöhnen zu können. Einfach weil dieser kleine Hebel so sinnvoll liegt und so gut, einfach und schnell zu bedienen ist. Coole Sache, Chapeau! Platz 3.

Platz 2. – Der Sensor

Bei diesem Punkt komme ich nun das erste Mal ins Schwitzen, bzw. in gewisse Erklärungsnöte. Habe ich nicht im ersten Teil groß und arrogant getönt, dass alle Kameras heute im Prinzip gleich gute Bilder machen können? Ja, habe ich… shame on me! Zumindest etwas… denn ganz falsch ist das immer noch nicht. Der Unterschied bringt die Erde nicht aus ihrer Bahn, das Pixel wird nicht neu erfunden und zum World Press Award auf Knopfdruck reicht es leider ebenfalls noch nicht. Aber – Heilig’s Blechle – eine Aufnahme bei ISO 6400 in Dämmerlicht muss man schon mal in Ruhe betrachten und bekommt den Mund vor lauter Staunen kaum zu. Und auch außerhalb hoher ISO findet man einfach eine “Stimmigkeit” von Textur, Farbbalance und Klarheit, die ist schon aller Ehren wert! Daher, tatsächlich Platz 2. für ein sehr technisches Argument.

Ach ja, und im dritten Teil kommen dann auch mal ein paar Bilder außerhalb des albernen Rumknipsens zum Ausprobieren der Kamera, versprochen… 😉

Die Gewinnerin:

Platz 1. – Die Kamera selbst

Hier habe ich es mir zunächst etwas schwer getan. Am liebsten hätte ich den ersten Platz an das 2,0/35 vergeben. Was? Aber das hat doch optisch unkorrigierte Verzeichnung! Und Randabschattung hat es noch dazu, höre ich die Meute aus dem Off schon rufen. Na und, erwidere ich ziemlich gleichgültig lächelnd, ich fotografiere doch d-i-g-i-t-a-l. Wie die das machen mit der guten Bildqualität am Ende  ist mir sowas von schnuppe… Ich nutze seit Jahren Micro Four Thirds, you’ve got it? Da wird… aber egal, das gehört hier ja auch gar nicht hin. Ich werde aber zu dem Objektiv sicher noch in einem anderen Post das ein oder andere Wort verlieren. Sowas von geil, das Ding!

Nur geht es ja nicht, dass der erste Platz an ein Objektiv geht, denn das gehört ja nicht zwingend zu der Kamera. Also, was sonst? Was ist es wert, auf den Thron gehoben zu werden? Welches Detail hat mich so umgehauen, dass es… Keines! Damit steht die Siegerin fest: Tadaaa, es die die Kamera selbst! Also die Tatsache, dass sie da ist und zwar so da ist, wie sie ist. Das Gesamtbild ist entscheidend, und das ist bei all meinem Gemecker und meinen Streitigkeiten mit dieser Kamera grundsätzlich mal überragend. Es ist eine Kamera für Menschen, die die Fotografie lieben, die gute Werkzeuge lieben, die einfach eine ausgeprägte Liebe für das feine Detail haben und sich an kleinen Besonderheiten (und auch Schrulligkeiten) erfreuen können. Für mich ist entscheidend, ob ich eine Kamera gerne in die Hand nehmen und damit losziehen will. Und ja, ich denke, das könnte was werden. Technisch gesehen, herrje, wer mit so einer Kamera keine Bilder hinbekommt, wird auch mit X, Y und Z nichts hinkriegen. Weit mehr als Mensch braucht! Wir haben ja schon “La Mannschaft”, ein im Moment sehr unter Beschuss stehender Autobauer behauptete von sich, “Das Auto” zu bauen, also könnte Fujifilm hier vielleicht sogar behaupten, “Die Kamera” zu bauen… Vielleicht 😉

P.S. Und ich werde mich trotzdem weiter mächtig mit ihr streiten und ihr sowie ihren Erbauern auch meine Meinung geigen…

P.P.S. Hatte ich eigentlich schon den geilen Verschluss erwähnt? Was für ein Geräusch! Tschnack… Pixel-Porn wollte ich ja nicht zeigen, aber Sound-Porn wäre mal was anderes…

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